Alibaba entdeckt Europa

Der chinesische E-Business-Gigant ist auf Expansionskurs. Ein Mega-Drehkreuz am belgischen Flughafen Lüttich schafft die Voraussetzungen für eine wachsende europäische Präsenz. Alibaba verbindet mit seinen digitalen Plattformen Produzenten und Kunden.

Alibaba betreibt die größte Geschäftsplattform der Welt. Jährlich werden 550 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Obwohl Alibaba gelegentlich als das „chinesische Amazon“ bezeichnet wird, sind die Geschäftsfelder umfassender. Neben dem C2C-Marktplatz Taobao, dem B2C-Marktplatz T-Mall und B2B-Plattformen gibt es auch Videoportale, Kurznachrichtendienste, Kartendienste, den Bezahldienst Alipay, Cloud Computing-Angebote und vieles mehr. In einem Beitrag des amerikanischen Management-Magazins „Fast Company“ wird der Chief Marketing Officer Chris Tung mit den Worten zitiert, Alibaba sei die Kombination von Amazon, Google und Facebook.

Erst vor wenigen Tagen hat Alibaba für etwa 90 Millionen Euro das Berliner Start-up Data Artisans gekauft. Die Berliner haben eine Technik entwickelt, die sich „Stream Processing“ nennt. Damit sollen sich, so berichtet das Handelsblatt, Daten nicht erst auswerten lassen, sobald sie gespeichert sind, sondern quasi noch in Bewegung verarbeiten lassen.

Wenn man auf das große Bild blickt, so steht der Plan von Alibaba-Gründer Jack Ma im Fokus, eine globale Handelsplattform aufzubauen. Diese „electronic World Trade Platform“, abgekürzt eWTP, soll den globalen Handel neu ordnen und Produzenten direkt mit Endkunden zusammenbringen. Ein zentraler Baustein in Europa ist das neue Logistikdrehkreuz von Alibaba, welches auf 220.000 Quadratmetern am belgischen Flughafen Lüttich entsteht. Im vergangenen Jahr sind vergleichbare Stützpunkte am Unternehmenssitz im chinesischen Hangzhou, im malaiischen Kuala Lumpur sowie in Ruanda entstanden. Neben Lüttich soll auch ein Versandzentrum in Bulgarien entstehen. Im Gegensatz zu Amazon ist Alibaba selbst kein Händler, sondern ein Handelsplattformbetreiber. Die wichtigsten Partner sind aktuell die globalen Konsumgüterunternehmen. Mit seinem Logistikdienstleister Cainiao verfolgt Alibaba das Ziel, weltweit innerhalb von drei Tagen Pakete vom Produzenten zum Käufer zu liefern. Während beim neuen Lütticher Drehkreuz vor allem die Exportchancen europäischer mittelständischer Produzenten nach China in den Vordergrund gestellt werden, so wird der umgekehrte Weg gleichermaßen geebnet. Olaf Rotax, Managing Director des zum Accenture-Netzwerk gehörenden Beratungsunternehmens dgroup, wird im Handelsblatt mit den Worten zitiert: „Wenn die Plattform erstmal steht, bietet sie natürlich auch eine sehr interessante Export-Pipeline für chinesische Güter nach Europa“. Auch wenn die vorgestellten Pläne zunächst im Konsumgüterbereich greifen werden, so kann man sich mit wenig Phantasie auch B2B-Geschäftsfelder auf der eWTP von Alibaba vorstellen.