Facebook-Währung: Eine Bedrohung für Nationalstaaten und Nutzer?

Die von Facebook angekündigte Einführung der neuen Digital-Währung Libra hat das Potenzial, die Machtverhältnisse zwischen digitalen Plattform-Unternehmen („GAFA“) und Nationalstaaten deutlich zu verschieben. Nicht nur Joachim Wuermling, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, sieht darin ein Problem.

 

In einem Interview mit der F.A.Z. verweist Wuermling darauf, dass Facebook den Libra – im Gegensatz etwa zu Bitcoins - durch einen Korb von Währungen und kurzlaufenden Staatsanleihen decken möchte. Facebook könne, so führt Wuermling weiter aus, Unmengen an Staatsanleihen horten und sich zu einem der größten Gläubiger von Staaten entwickeln. Er halte es für bedenklich, wenn Nationalstaaten auf diese Weise von einem einzigen Konzern abhängig würden. Wenn von den 2,7 Milliarden Facebook-Nutzern nur 100 Millionen mitmachten, hätte Libra schon mehr Kunden als der gesamte deutsche Bankenmarkt. Facebook könnte zum größten Vermögensverwalter der Welt und damit systemrelevant werden. In China hätten digitale Anbieter wie WeChat Pay innerhalb von fünf Jahren das Bargeld praktisch abgelöst.

Kritisch äußert sich auch Gerhard Schick, ehemaliger Finanzexperte der Grünen und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, auf Spiegel Online: Facebook werde seine marktbeherrschende Stellung im Bereich Social Media nutzen, um eine marktbeherrschende Stellung im Zahlungsverkehr zu erlangen. Hier müssten die Wettbewerbshüter tätig werden. Verschiedene Kritiker sehen die Gefahr, dass eine solche weltweite Parallelwährung die Gefahr von Geldwäsche und Steuerhinterziehungen erhöhe. Schick verweist schließlich auch darauf, dass Facebook die Zahlungsströme der Nutzer genauso intensiv analysieren werde, wie seine übrigen Nutzerdaten der Social Media Plattform. Thomas Fuster weist in der Neuen Zürcher Zeitung darauf hin, dass eine Währung zuallererst von dem in sie gesetzten Vertrauen lebe. Gerade Facebook habe hier nach diversen Datenskandalen ein Problem mit seiner Reputation. Würde sich der Libra durchsetzen, so erörtert Fuster, könne er in vielen Entwicklungsländern schnell zur Parallelwährung aufsteigen, so wie es der Dollar in Südamerika vielfach heute schon sei. Das schaffe neue Abhängigkeiten der Entwicklungsländer. Das disruptive Element von Digitalwährungen sieht er generell darin, dass Menschen und Firmen in Beziehung zueinander treten könnten, ohne eine vermittelnde Instanz wie eine Bank zu benötigen.

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Haering beschäftigt sich schon länger mit dem Verschwinden des Bargelds und den negativen Folgen. Er hat im vergangenen Jahr das Buch „Schönes neues Geld“ veröffentlich, in dem er die Einführung einer Amazon-Währung imaginiert und die Konsequenzen diskutiert. In einem downloadbaren Kapitel (Link unten) des Buches verweist er auf interessante Studien und Entwicklungen. So hat etwa MasterCard eine Studie finanziert, in der das Beratungshaus BFA die Rolle der „Super-Plattformen“ wie Amazon, Facebook und Alibaba analysiert hat. Demnach sind die Zukunftsaussichten der Banken, den Wettbewerb mit diesen Super-Plattformen zu bestehen, schlecht. Haering warnt vor der Machtkonzentration und dem möglichen Machtmissbrauch, der durch eine Kombination schon bestehender Nutzerprofile etwa bei Google, Amazon oder Facebook in Verbindung mit den Zahlungsverkehrsinformationen der Nutzer möglich werde.

In den vergangenen Wochen hat sich das Vorhaben von Facebook noch einmal konkretisiert. Das Unternehmen möchte seine Krypto-Währung von der Schweiz aus lancieren und sich dafür in Genf niederlassen. Die US-Regierung hat daraufhin mit einer Pressekonferenz ihrer Botschaft in Bern ein deutliches Signal gegeben: Die Facebook-Währung müsse trotz Standort Genf auch US-Recht einhalten und strengste Geldwäsche-Regelungen erfüllen. Noch deutlicher wurde am vergangenen Donnerstag der französische Finanzminister Bruno Le Maire. Er gibt der geplanten Digitalwährung Libra derzeit keine Chancen auf Genehmigung in Europa. Es gebe sowohl Gefahren für das Finanzsystem und die staatliche Souveränität als auch das Risiko eines Missbrauchs der Marktmacht.

Hintergrundquellen zum Thema:

Joachim Wuermling in der F.A.Z.
Gerhard Schick auf Spiegel Online
Thomas Fuster in der NZZ
Norbert Haering in seinem Blog
Die Schweizer SRG zur US-Pressekonferenz