von Rainer Hill

Logistik: Chaos ist (in) Ordnung

Ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann, so ein populäres Beispiel der Chaosforschung, einen Tornado in Texas auslösen, was aber nicht vorhersehbar ist. Im Deutschen Bundestag wird der politische Gegner gelegentlich mit Vehemenz als Chaot beschimpft. In der griechischen Mythologie gilt das Chaos als Gegenbegriff zum geordneten Kosmos.

Autor: Rainer Hill

Rainer Hill ist Public Relations Manager und Pressesprecher von Nissen & Velten. Unter anderem betreibt er den Podcast "Digitalisierung im Großhandel" und produziert das eNVenta-Magazin.

Der Schmetterlingseffekt ist ein Phänomen aus der Chaostheorie. [Bild: Pixabay / geralt]

Der Schmetterlingseffekt ist ein Phänomen aus der Chaostheorie. [Bild: Pixabay / geralt]

Sprachlich soll die Bezeichnung Chaos bei den alten Griechen mit Begriffen wie „klaffender Raum“ und „gähnende Leere“ im Zusammenhang stehen. In der Schöpfungsgeschichte der Bibel werden übrigens die Worte „wüst und leer“ auch als Synonym für Chaos gedeutet. Nichts davon ist geeignet, dem Begriff Chaos im Alltag entspannt und mit Wohlwollen zu begegnen.

Entsprechend irritiert reagieren manche Unternehmer, die die Einführung eines Lagerverwaltungssystems in Erwägung ziehen, wenn zum ersten Mal im Gespräch der Begriff „chaotisches Lager“ fällt. Chaos im eigenem Lager? Gar Zustände wie „bei Hempels unterm Sofa“? Da läuten die Alarmglocken.

Früher, und in kleineren Unternehmen oftmals auch noch heute, arbeitete man im Lager mit festen Lagerplätzen. Rechts in der ersten Reihe lagen vielleicht Schrauben verschiedener Art und Größe und in der fünften Regalreihe hinten links standen die Elektrowerkzeuge auf festen Plätzen. War der Bestand eines Artikels leergelaufen oder hatte ein Verkaufsmitarbeiter spontan einen Bohrhammer für den wartenden Stammkunden entnommen, ohne ihn in der Warenwirtschaft zu verbuchen, so klaffte im Fach auch einmal „gähnende Leere“ – im Sinne der alten Griechen also ein Indiz für Chaos, obwohl äußerlich alles wohlgeordnet erschien.

Wenn das Sortiment wächst und Zehntausende von Lagerartikeln umfasst, wenn die Zahl der Lagermitarbeiter und Aushilfen zunimmt, dann droht in der Tat, die Zahl der Bestandslücken und der Fehlkommissionierungen zuzunehmen. Das „chaotische Lager“ hingegen, welches dynamisch wechselnde und äußerlich ungeordnet erscheinende Lagerplätze verwendet, ist in Wahrheit gar nicht chaotisch. Die vorhandenen Lagerplätze werden sukzessive belegt und die Mitarbeiter werden mit Hilfe von Scannern wegeoptimiert von Pick zu Pick geführt, bis ein Kundenauftrag abgeschlossen ist. Die Einlagerung angelieferter Artikel beschleunigt sich ebenfalls. Prozess- und Bestandssicherheit nehmen insgesamt zu.

Wenn also im LVS-Projekt der Begriff Chaos auftaucht: Ruhe bewahren und tief durchatmen: Chaos ist (in) Ordnung.