von Rainer Hill

E-Commerce: ERP-Systeme bilden das Rückgrat von B2B-Webshops

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass Webshops, die sich im E-Commerce mit Privatkunden bewährt haben, auch umstandslos im Großhandel einsetzbar sind. In der Praxis ist dem nicht so: Sowohl die Geschäftsprozesse als auch die Erwartungshaltung der Einkäufer unterscheiden sich signifikant. Sehr viele der notwendigen Informationen werden im ERP-System vorgehalten und gepflegt. Entsprechend groß kann der Entwicklungs- und Implementierungsaufwand für Schnittstellen und Funktionalitäten werden, die zusätzlich zu einem Webshop für Privatkunden benötigt werden.

Autor: Rainer Hill

Rainer Hill ist Public Relations Manager und Pressesprecher von Nissen & Velten. Unter anderem betreibt er den Podcast "Digitalisierung im Großhandel" und produziert das eNVenta-Magazin.

B2B-Webshops profitieren vvon einer engen Verzahnung von E-Commerce-Lösung und ERP-System.

B2B-Webshops profitieren vvon einer engen Verzahnung von E-Commerce-Lösung und ERP-System.

Selbstverständlich gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen B2C und B2B: Ein B2B-Webshop sollte heute so modern und ansprechend erscheinen, wie ein Webshop für Privatkunden. Eine große Zahl von anschaulichen Artikelfotos und gegebenenfalls auch Zeichnungen sollten den Nutzen von Produkten verdeutlichen, da sie der Käufer nicht in die Hand nehmen kann. Auch die adaptive Darstellung der Seiteninhalte, das heißt, eine hohe Benutzerfreundlichkeit auf großen Bildschirmen genauso wie auf relativ kleinen Smartphones, ist heute für alle Zielgruppen Pflicht. Man denke etwa nur an den Handwerker, der vor dem Feierabend von unterwegs noch schnell fehlendes Verbrauchsmaterial ordern möchte.

Mehr Varianten im Bestellprozess

Doch schon hier beginnen die Unterschiede. Der B2B-Kunde kennt viel mehr Varianten des Bestellprozesses: Dazu zählen auch Anfragen – noch vor einer möglichen Bestellung, Abrufe aus Rahmenvereinbarungen, das Bestellen von Angeboten, der Kommissionsbezug und die Abholung an der Ladentheke seines Händlers. Private Kunden bekommen in einem Webshop in der Regel nur den einen Preis für ein spezifisches Produkt angezeigt. Ganz anders im Großhandel: Handwerk und Gewerbe erhalten ihre individuellen Konditionen, Rabatte und Staffelpreise und mitunter können auch Aktionsrabatte genutzt werden. Dazu kommen weitere Spezialitäten: Wer privat ein Verlängerungskabel kauft, dessen Preis wird nicht durch die Kursnotierung von Kupfer an Rohstoffbörsen beeinflusst. Der Elektrogroßhandel, etwa im Falle von Kabeltrommeln, oder der Handel mit Kupferrohren kennt aber durchaus Materialteuerungszuschläge, die im Webshop ebenfalls abgebildet werden sollen. Diese Informationen werden in aller Regel im ERP-System, gepflegt und müssen dem Webshop zeitnahe zur Verfügung stehen.

Verfügbarkeit schlägt Preis

Genauso wichtig ist die Verfügbarkeit beziehungsweise die Lieferzeit der Artikel. Wer morgen auf der Baustelle fehlendes Material benötigt, muss sicher sein, dass es dort auch angeliefert wird. Sonst schaut er sich womöglich nach alternativen Lieferanten um. Das bedeutet, die Lagerbestandsinformationen aus dem Lagerverwaltungssystem oder dem ERP-System müssen aus dem Webshop heraus jederzeit abfragbar und aktuell sein. Verfügt der Großhandel über mehrere Niederlassungen mit eigenen Lagern, so werden die Prozesse noch ein wenig komplexer: Will nämlich beispielsweise ein Handwerker ein spezifisches Waschtischmodell in seiner lokalen Filiale seines SHK-Händlers abholen, so benötigt er im Webshop den aktuellen Lagerbestand auf Niederlassungsebene. Ist der gesuchte Artikel dort nicht auf Lager, so ist die Information über die nächstmögliche Tour, mit welcher die Ware angeliefert werden kann, hilfreich.

Komplexität muss beherrscht werden

Auch wenn der Handwerker womöglich einmal spontan ein Baustellenradio zum Aktionspreis kauft, sind die Beschaffungsprozesse typischerweise weniger emotionsgetrieben als beim privaten Online-Shopper. Notwendig sind deshalb intelligente Suchroutinen sowie Formulare für Schnellbestellungen und Angebotsanfragen, damit der Einkäufer effektiv und schnell zum Ziel kommt. Auch die Adressverwaltung ist komplexer als im privaten Umfeld: Kann der Geschäftskunde doch seine Bestellung zu verschiedenen Niederlassungen, Baustellen oder Werksteilen liefern lassen. Die Bezahlung folgt ebenfalls anderen Regeln wie etwa der Kauf auf Rechnung oder der Kauf auf Kredit mit individuellem Limit. Auch hierfür werden die Informationen typischerweise im ERP-System vorgehalten.

Eine zentrale B2B-Funktionalität ist schließlich die Budgetverwaltung. Sie erlaubt es den Kunden, Budgets für die Bestellung von Waren und die damit verbundenen Rollen und Berechtigungen zu definieren. Diese werden für konkrete Zeiträume festgelegt und berechnet. Industriekunden können damit etwa ihren Einkäufern Kostenstellen mit Budgets zuweisen. Zudem sollten sich Limits festlegen lassen bis zu denen eingekauft werden darf, beziehungsweise Grenzen ab denen ein Freigabeprozess über den Abteilungsleiter angestoßen werden muss.

E-Commerce-Schnittstellen zu Industrie- und Handwerkskunden

Wenn die Kunden mit SAP-Systemen einkaufen wird eine OCI-Schnittstelle zum eigenen Webshop benötigt. Sie erlaubt den Austausch von Katalogdatensätzen zwischen SAP-E-Procurement-Systemen und Webshops. Der SAP-Nutzer meldet sich dabei im Webshop seines Händlers als OCI-Besteller an und wählt seine Artikel aus. Es wird jedoch kein klassischer Bestellvorgang ausgelöst, sondern eine Übertragung des Warenkorbs in das SAP-System. Die Bestellung wird dann im Idealfall via EDI an den Händler übertragen und im SAP-System des Kunden verbucht. Auf der anderen Seite gibt es beispielsweise auch spezifische Schnittstellen zur Software von Handwerkern, die Händler mit diesem Kundenkreis anbieten sollten. Die IDS-connect-Schnittstelle macht die Kommunikation zwischen vielen Softwarelösungen des Handwerks und Webshops möglich. Auch der Handwerker vereinfacht dabei seine Prozesse, da eine Bestellung sofort in seiner eigenen Software verbucht wird. Ein übersichtliches Kundenportal, in dem alle individuellen Angebote, Aufträge, Rahmenaufträge, Rechnungen, Lieferscheine und Retouren jeweils mit dem aktuellen Status abrufbar sind, ist ebenfalls notwendig und bindet den Kunden an seinen Händler.

B2B: Online-Käufe steigen

Im Rahmen einer Marktumfrage des Beratungsunternehmens BauInfoConsult unter Bauakteuren aus verschiedenen Gewerken gaben Bauprofis an, im Jahr 2017 im Schnitt 11 Prozent ihrer gesamten Materialeinkäufe in einem Webshop getätigt zu haben. Einer Studie des Würzburger Beratungs- und Forschungsinstituts ibi research zufolge erwarten 73 Prozent der befragten Experten in Deutschland, dass der Anteil der B2B-Online-Käufe bis 2020 „steigen“ beziehungsweise „stark steigen“ wird. Auf einen Webshop wird also kaum noch ein Akteur im Großhandel verzichten können. Das Ziel kann dabei sowohl sein, Bestandskunden zu binden und Prozesse zu automatisieren als auch für potenzielle Neukunden im Web sichtbar zu werden.

Datenpflege bleibt Daueraufgabe

Die Softwareauswahl für den eigenen Webshop sollte deshalb unter Berücksichtigung der im Beitrag ausgeführten B2B-Besonderheiten durchgeführt werden. Insbesondere der Verzahnung zwischen dem eigenen ERP-System und den in Frage kommenden Shopsystemen sollte das Hauptaugenmerk gelten. Hierbei sollten auch der Abdeckungsgrad der bereits verfügbaren Schnittstellen der Anbieter und die womöglich noch zu entwickelnden Funktionalitäten und ihre Budgetierung kritisch unter die Lupe genommen werden. Der Einstieg in den E-Commerce ist schließlich keine einmalige Ausgabe, sondern zieht einen kontinuierlichen Aufwand für die Datenpflege im Webshop nach sich. Ein hoher Abdeckungsgrad der Anforderungen im Standard sowie komfortable Schnittstellen und Routinen zahlen sich deshalb über lange Zeiträume aus.

Nissen & Veltensieht in B2B-Webshops, die Kundenperspektive auf zentrale Teile des ERP-System des Händlers. Folgerichtig wird mit eNVenta eGate und eNVenta ERP beides aus einer Hand angeboten.

Rainer Hill